Wahlfang am Rhein

Ein Ökoliberaler, Herbert Bühl, auf dem Sprung in die Schaffhauser Regierung

«Nein, Herr Bühl ist leider am Nachmittag nicht zu erreichen, er ist an einem Orientierungslauf. Probieren Sie es doch nochmals nach 18.00 Uhr», teilt die Sekretärin entschuldigend mit. Herbert Bühl, Leiter und Verwaltungsratspräsident des Umweltbüros Oekogeo AG, hat mit seinem politischen Vorbild, dem deutschen Aussenminister Joschka Fischer, einiges gemeinsam: Beide sind sportlich aktiv und haben sich vom radikalen Grünen zum Politrealo gewandelt: «Der Bühl war früher ein grasgrüner Fundamentalist», meint der Präsident der FDP des Kantons Schaffhausen, Christian Heydecker. Der ökoliberale Regierungsratskandidat habe sich aber gewandelt: «Er ist ein sympathischer Mensch. Ich fühlte mich anlässlich eines Podiumsgesprächs mit Bühl wie bei einer FDP-internen Ausmarchung. Möglicherweise geht er aber mit seinem ökoliberalen Programm bewusst auf Stimmenfang bei den bürgerlichen Wählern – was er dann als Regierungsrat wirklich umsetzen würde, wer weiss?», fügt der freisinnige Parteipräsident warnend hinzu.

Falls der 43-jährige Grossrat von der Ökoliberalen Bewegung Schaffhausen (ÖBS), einer Kantonalpartei der Grünen, das Rennen um den frei gewordenen Sitz im Regierungsrat im zweiten Wahlgang gewinnt, dann wird der Kanton Schaffhausen bis zu den Erneuerungswahlen im nächsten Jahr von einer rot-grünen Mehrheit regiert. Die Angst vor dem «rot-grünen Gespenst» geistert aber nur bei der FDP herum. Die CVP beispielsweise unterstützt den einstmaligen Kirchgemeindepräsidenten Bühl im Wahlkampf. Willi Helg, pensionierter Pfarrer von Schaffhausen, findet nur lobende Worte: «Er war ein guter Präsident, umsichtig und offen für neue Ideen.»

Die Umwelt – ein Geschäft
Im persönlichen Gespräch wirkt Bühl undogmatisch. Vor allem für Wähler aus dem bürgerlichen Lager ist der selbstsichere Politiker offen. Trotz fehlender Krawatte («Kleider sollten nicht zum Wahlthema werden») kommt der Kleinunternehmer korrekt gekleidet daher – auf die obligaten Turnschuhe (siehe Joschka Fischer) scheint er gerne zu verzichten. Bei einer vegetarischen Maispizza bekennt sich der gebürtige Schaffhauser ohne grosse Vorbehalte zu marktwirtschaftlichen Prinzipien: «Im Umweltschutz haben wir nur Chancen mit marktwirtschaftlichen Instrumenten. Alles andere ist nicht mehrheitsfähig. Umweltschutz ist ein Geschäft wie jedes andere.» Das Verursacherprinzip solle seine Wirkung entfalten – Umweltschutz ohne moralischen Zeigefinger also. Wenn der zweifache Familienvater über Umweltschutz und Marktwirtschaft räsoniert, geht es auch um Eigeninteressen: Sein Umweltbüro lebt unter anderem von Umweltverträglichkeitsprüfungen. Grün – liberal – Unternehmer, diese Kombination erfordert gewisse Kompromisse bei politischen Geschäften: «Seit ich selber eine Unternehmung führe, bin ich realistischer geworden. Als Kleinunternehmer muss man wirtschaftlich überleben.»

Herbert Bühl stammt aus einer Schaffhauser Arbeiterfamilie. Sein heutiges Engagement geht auf die Umweltbewegung der achtziger Jahre zurück. Schlagzeilen über das Waldsterben und die Verkehrslawine politisierten den damaligen ETH-Studenten. Er trat der neu gegründeten Ökoliberalen Bewegung Schaffhausen bei. Überraschend schnell gewann die junge Partei mehrere Sitze in politischen Gremien. Nach vier Jahren als Mitglied im Stadtrat wurde Bühl 1998 auch in den Grossen Rat des Kantons Schaffhausen gewählt. Der ursprünglich «grasgrüne Fundamentalist» mutierte zum routinierten Sachpolitiker. Der bedächtige Naturwissenschaftler machte sich im Parlament einen Namen als Konsenspolitiker: «Konfrontation hat im Parlament schon seine Berechtigung. Ideologische Grabenkämpfe sind aber fehl am Platz.» Diese Geisteshaltung erklärt auch die breite Unterstützung, die Bühl bei seinen Wählern geniesst: «Im Wahlkomitee sind vom Kleinunternehmer bis zum Generaldirektor alle vertreten.»

Die auffallend hohe Zahl an Beamten auf der Namensliste verschweigt er wahlkampftechnisch geschickt, schliesslich will er die potenziellen bürgerlichen Wähler nicht vergraulen. Unverhohlen spricht er sich aber trotz Unterstützung der Staatsangestellten für die Abschaffung des Beamtenstatus aus. Die Forderung erweckte im Vorfeld der Regierungsratsersatzwahlen dann auch prompt den Unmut der SP: Die Partei unterstützt ihn offiziell nicht im Wahlkampf. Mit politischen Gegnern habe er keine Berührungsängste, betont er am Mittagstisch: «Meine Stärke liegt in der Kommunikation, ich suche den Konsens.» Die Suche nach breit akzeptierten Lösungen kommt auch auf seinem Wahlplakat programmatisch zum Ausdruck : «Unternehmerisch vermittelnd – handelnd. Wirtschaft, Ökologie und Gesellschaft gehören zusammen», heisst es da in beinahe freisinniger Manier. Zu einzelnen Exponenten der Freisinnigen hat er denn auch ein entspanntes Verhältnis: «Ich wünsche mir mehr Leute wie Parteipräsident Steinegger in der FDP. Ich schätze seine liberale Haltung. »

Das Konzept von Herbert Bühl scheint wahlstrategisch aufzugehen. Der Sitz im Regierungsrat ist mit einem guten Resultat im ersten Wahlgang in greifbare Nähe gerückt. «Das Wort ökoliberal half sicherlich, gewisse Wählerkreise anzusprechen.» Wird die erfolgreiche Wahlstrategie bei den Grünen bald Schule machen? Falls der Schaffhauser die ausschlaggebende zweite Wahl in den Regierungsrat gewinnt, dürfte sich die Grüne Partei der Schweiz wohl bald umbenennen in die «Ökoliberale Partei Schweiz». Mit neoliberalem Gedankengut und bürgerlichem Habitus fischt man heute offenbar erfolgreicher im Wählermeer der politischen Gegner als mit traditionellen «grasgrünen» Slogans.

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