Beim Börsenhandel auf eigene Faust sollte man auf günstige Online-Broker, eine risikoarme, langfristige Strategie und die «richtigen» Börsenaufträge setzen. Es gilt diverse Fallgruben zu umgehen.
Der Schweizer Börsenleitindex SMI hat seit Jahresbeginn rund 9% an Wert verloren. Damit hat er sich im Corona-Crash im Vergleich mit anderen Barometern noch relativ gut gehalten. Börsenbeobachter streiten darüber, ob der Tiefpunkt an den Börsen bereits erreicht wurde und ob Anleger mit Barbeständen jetzt ins Börsengeschäft einsteigen sollten.
Auf kostengünstige Indexfonds setzen
Was hingegen klar ist: Jeder Börsianer möchte bei tiefen Kursen kaufen und bei Höchstständen seinen Gewinn ins Trockene bringen. Wer mit frei verfügbaren Barbeständen und nicht mit geliehenem Geld in Wertpapiere investieren kann, sollte zumindest einen (Wieder-)Einstieg in den Aktienmarkt prüfen. Unschön ist es, bei tiefen Aktienkursen nicht zu kaufen oder sogar zu verkaufen – und bei Kurs-Höchstständen berauscht zu werden und alles auf einen Schlag zu investieren. Das unabhängige Fonds-Research-Unternehmen Morningstar warnt Anleger: «Wir würden keinesfalls empfehlen, jetzt mit allen Cash-Reserven in den Markt einzusteigen.»
Da man als Anleger nur per Zufall den «richtigen» Einstiegszeitpunkt an der Börse erwischt, sollte man sein Bares gestaffelt investieren, basierend auf einer langfristigen, eher passiven Anlagestrategie. Wer überwiegend Kollektivanlagen wie preiswerte Indexfonds und Exchange-Traded Funds (ETF) kauft, verteilt sein Anlagerisiko auf eine breite Auswahl an Wertpapieren. Qualitativ gute Einzeltitel können ein Fonds-Portfolio ergänzen. Dazu zählen Unternehmen mit soliden Bilanzen, dominierenden Marktstellungen und Top-Liquidität, um die Corona-Krise gut zu überstehen.
Transaktionsgebühren im Auge behalten
Neben der Qualität und Kurshöhe von Wertpapieren sind auch die Transaktionskosten beim Wertpapierhandel entscheidend. Je tiefer die Kosten ausfallen, desto mehr verbleibt in den Taschen des Anlegers. Vor einem Börseneinstieg gilt es, einen preiswerten Online-Broker oder eine Bank mit Online-Handel auszuwählen. Die Broker Degiro.ch und Lynxbroker.ch haben tiefe Gebühren und verlangen keine Depotgebühr. Der Haken dabei: Sie sind keine Banken und verfügen daher nicht über einen Schweizer Einlagenschutz auf dem unabdingbaren Handelskonto.
Wem ein Einlagenschutz bis 100 000 Fr. wichtig ist, setzt eher auf Schweizer Banken mit Online-Börsenhandel wie Swissquote.ch, Bank Zweiplus mit «cash» bzw. Cornertrader, Postfinance, die VZ Depotbank die Migros Bank oder die Saxo Bank (Schweiz). Vergleiche zeigen, dass Grossbanken beim Aktienkaufen und -verkaufen in der Regel höhere Gebühren verlangen als kleinere Anbieter. Auf dem Vergleichsportal Moneyland.ch können Anleger die Handelskosten für ihre persönliche Anlagestrategie vergleichen. Wichtig zu wissen: Anleger treffen beim Online-Börsenhandel immer ihre eigenen Investment-Entscheidungen («Execution Only»). Sie sind daher auch selbst für Verluste und allfällige Eingabefehler verantwortlich (siehe Kasten).
Titel korrekt identifizieren
Und Fehler passieren rasch. Bereits bei der Online-Suche nach dem favorisierten Wertpapier kann es zu Pannen kommen. Die Angabe einer korrekten ISIN-Wertpapiernummer (International Securities Identification Number) ist beispielsweise entscheidend für die korrekte Identifikation eines Wertpapiers. So reicht die ungenaue Titelbezeichnung «Swatch Group» bei der Wertpapiersuche nicht aus, da es von der «Swatch Group» Inhaber- und Namenaktien gibt. Wer in Eile das falsche Papier kauft, hat Pech.
Zudem gilt es bei Aktien, Partizipations- und Genussscheinen sowie Fondsanteilen die richtige Stückzahl einzutippen. Bei Obligationen ist der gewünschte Nominalwert anzugeben. Und auch die Währung des Wertpapiers ist entscheidend, da man sich beim Kauf von Titeln in Fremdwährung ein Fremdwährungsrisiko einhandelt. Unabhängig vom gewählten Auftrag sollte man auch eine Gültigkeitsdauer angeben. Ohne Datumsangabe wird der Auftrag «börsengültig» aufgegeben und verfällt automatisch nach Börsenschluss. An der Schweizer Börse sind Aufträge erfassbar, die ein Jahr gültig sind.
Den richtigen Börsenauftrag auswählen
Ein weiterer Faktor, der auch darüber entscheidet, ob Anleger beim Wertpapierhandel Geld gewinnen oder verlieren, ist die Auswahl des geeigneten Börsenauftrags («Order»). Eine Umfrage bei sechs Online-Börsenhändlern zeigt: Bestens- und limitierte Aufträge zählen zu den häufigsten Auftragsarten. Von anspruchsvolleren Auftragsformen wie etwa «Trailing-Stop» oder «One cancels others» lassen Laien besser die Finger. Es gilt wie bei Finanzprodukten: nie etwas machen bzw. kaufen, was man nicht versteht.
Mit einem Bestens-Auftrag gibt man einer Bank oder dem Online-Börsenhändler den Auftrag, die Wertpapiere zum nächstmöglichen Kurs zu kaufen oder zu verkaufen. Anfänger sollten bei Titeln mit kleinem Handelsvolumen von Bestens-Aufträgen absehen. Dieser Auftrag eignet sich vor allem für Wertpapiere mit grossem Handelsvolumen. Dazu zählen zum Beispiel Standardwerte (Blue Chips) wie Roche, UBS oder börsengehandelte Fonds (ETF). Der Vorteil beim Bestens-Auftrag: Er wird bei Blue Chips sehr rasch ausgeführt. Der Haken: Der Anleger weiss bei Auftragserteilung nicht, zu welchem Preis das Wertpapier gekauft oder verkauft wird.
Viele Kundenreaktionen bei limitierten Aufträgen
Bei einem limitierten Auftrag macht der Anleger eine Kursvorgabe, er gilt also eine Limite vor – zum Beispiel «Kaufen bei 50 Fr.» oder «Verkaufen bei 80 Fr.». Der Käufer weiss damit, dass er höchstens 50 Fr. zahlen wird. Ein Verkäufer weiss, dass er für eine Aktie mindestens 80 Fr. erhält. Falls die Limite nicht erreicht wird, findet kein Geschäft statt. Aufträge mit einer Limite sollte man möglichst lange laufen lassen. Je länger man einer Aktie Zeit gibt, desto grösser ist die Chance, dass sie den gewünschten Kauf- oder Verkaufspreis erreicht.
Postfinance sagt über diese Auftragsart: «Der limitierte Auftrag führt zu den meisten Kundenreaktionen, weil es über mehrere Tage zu Teilausführungen oder gar keiner Ausführung kommen kann. Wir stellen fest, dass gerade bei Liebhabertiteln oft zu wenig berücksichtigt wird, ob die Anzahl der zum Kauf angebotenen Titel ausreichend gross ist.» Die Swissquote-Sprecherin Nadja Keller schreibt: «Wir empfehlen, generell nur in Produkte zu investieren, die man versteht. Gleiches gilt für Orderarten.»
Vor dem Start erst üben
Der Finanzexperte Marcel Chevrolet von Chevrolet Consulting in Zürich rät Einsteigern für den Online-Handel: «Wenn man mit Derivaten arbeitet, gilt die Regel, maximal 2% des Kapitals pro Geschäft einzusetzen und nie mehr. Sonst hat man den gleichen Effekt wie im Spielkasino: Wenn man zwei Mal gewonnen hat, wird der Einsatz verdoppelt – bis nichts mehr da ist.»
Vor einem Einstieg an der Börse gilt es, zuerst ein Gratis-Testkonto auf einer Online-Plattform zu erstellen, Anleitungen der Anbieter zu studieren und Erfahrungen mit virtuellem Spielgeld zu sammeln. Virtuelle Verluste sind weniger schmerzhaft als grosse Löcher im Portemonnaie.