INTERNET-ADRESSEN/ Die EU-Telekommunikationsminister haben der Einführung einer Internet-Adressendung «.eu» zugestimmt. Schweizer Grosskonzerne sind vom Vorentscheid kaum betroffen. Schweizer Mittel- und Kleinbetrieben droht nun aber die digitale Isolation.
Noch diesen Herbst werden die fünf neuen Internet-Adressendungen «.name, .pro, .coop, .aero und .museum» eingeführt. Die Endun-gen «.biz» und «.info» wurden schon vor wenigen Tagen freigeschaltet. Die von den USA dominierte Internet-Kontrollorganisation Icann bezeichnet die Einführung der neuen Adressendungen auf ihrer Homepage denn auch als «historische Etappe in der Entwicklung des Internets».
Weit bedeutender für Schweizer Firmen erscheint aber ein Grundsatzentscheid der EU-Telekommunikationsminister von vergangener Woche. Die Europäische Union soll demnach die Internet-Adressendung «.eu» erhalten. Die neue Adressendung könnte schon im nächsten Jahr eingeführt werden, vorausgesetzt das Europäische Parlament erteilt dem Vorhaben im kommenden Herbst seinen Segen. Damit entstünde ein riesiger virtueller europäischer Binnenmarkt.
Auftrieb für E-Commerce
Mit ihrem Vorhaben möchte die EU vor allem dem serbelnden E-Commerce auf die Beine helfen. Vorgesehen ist bis zum jetzigen Zeitpunkt, dass lediglich Betriebe, Personen und Institutionen mit eingetragenem Sitz oder hauptsächlichem Geschäftsfeld in EU-Staaten die Adressendung «.eu» beantragen dürfen. Schweizer Grossfirmen mit Sitz oder Niederlassung in einem EU-Staat können dem Projekt daher gelassen entgegensehen.
Klein-und Mittelbetriebe (KMU) aus Nicht-EU-Staaten werden diese Bedingungen aber kaum erfüllen können. Schweizer KMU könnten somit in einem digitalen EU-Wirtschaftsraum ins Abseits gedrängt werden. Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) hatte aufgrund dieser Gefahr daher schon im vergangenen Herbst einen Appell an die EU-Kommission gerichtet, Nicht-EU-Staaten den Zugang zu den neuen Adressen zu gewähren. Die Endung «.eu» solle für «Europa» stehen und nicht ausschliesslich für die Europäische Union. Diese Argumente fanden in Brüssel aber offenbar kein Gehör.
Keine Antwort aus Brüssel
Gemäss Roberto Rivola, Pressesprecher des Bakoms, wurde das Schreiben von der EU-Kommission bisher nicht beantwortet. Rivola ist über den Vorentscheid der Kommission nicht glücklich: «Momentan sieht es für die Schweiz eher ungünstig aus», sagte er. Auch der Schweizer Wirtschaftsverband Economiesuisse ist nicht erfreut. Pressesprecher Urs Rellstab sagte: «Wir würden einen solchen Schritt sehr bedauern.» Abklärungen von Bakom-Sprecher Rivola in Brüssel haben ergeben, dass die Kommission noch einmal über die Bücher gehen werde. Gemäss Rivola wehrt sich Spanien dagegen, dass EWR-Länder und Beitrittskandidaten «.eu»-Adressen erhalten sollen. Von der Schweiz ist in der Kommission offenbar schon gar nicht die Rede.
Neues Thema für Bilaterale?
Auch der umstrittene Beitrittskandidat Türkei sorgt in der Kommission noch für hitzige Diskussionen. Eine vorgezogene «virtuelle» EU-Mitgliedschaft der Türkei ist für einige EU-Staaten tabu. Viele Details über die Ausgestaltung der neuen Domäne «.eu» bleiben bis zum Entscheid des europäischen Parlamentes noch offen. Aus Schweizer Sicht ist aber eines jetzt schon klar: Die Schweizer Regierung wird ihre Traktandenliste für die neuen bilateralen Verhandlungen mit der EU um einen Punkt erweitern müssen.