Costa Rica ist trotz vielen Bananenplantagen keine Bananenrepublik, sondern das demokratischste Land in Mittelamerika. Der Kleinstaat bietet Besuchern Natur pur und eine vielfältige Tierwelt.
«Ich wollte schon als kleiner Junge Bäcker werden», sagt Hans alias Johannes Valentin Berié, geboren im deutschen Chiemsee als eines von zehn Kindern. Der redselige Auswanderer betreibt seine «German Bakery» in der Nähe von Liberia, der zweitgrössten Stadt von Costa Rica. Mit 30 Angestellten beliefert der Bäckermeister die boomende Hotel- und Gastronomiebranche im Westen des Landes. «Die Einheimischen kannten bis vor wenigen Jahren richtiges Brot überhaupt nicht», erläutert er. Das reichste Land im zentralamerikanischen Raum verfügt über eine wachsende Mittelund Oberschicht, die längst nicht mehr jeden Tag das traditionelle Hauptgericht «Gallo Pinto» (Reis mit Bohnen) essen will. Der Bedarf nach ausländischen Spezialitäten wächst parallel zur Zahl der Touristen. Seit Jahren steigt die Beliebtheit des kleinen Lands zwischen Pazifik und Karibik stetig an. Hans gehört zu den rund 250 000 Ausländern, die im Naturparadies bisher sesshaft wurden. Abgesehen von Tausenden US-Amerikanern, welche die Feriendestination längst für Surf-Ferien und den Ruhestand entdeckt haben, finden auch immer mehr europäische Naturliebhaber den langen Weg (rund zwölf Flugstunden ab Zürich) ins üppig ausgestattete Bioreservat. Das kleine Costa Rica beherbergt rund fünf Prozent aller auf dem Globus existierenden Pflanzen und Tierarten!
Korruption auf höchster Ebene
Das Land mit unterschiedlichsten Faunen und Klimaten wird von Einheimischen auch die Schweiz Zentralamerikas genannt, weil schon seit geraumer Zeit Friede, Demokratie, Neutralität, Wohlstand sowie politische Stabilität herrschen. Umgeben von Ländern mit Diktaturen und Bürgerkriegen, schaffte Costa Rica die Armee 1949 sogar ganz ab. «Abgesehen von der verbreiteten Korruption ist das Land mit seinem milden Klima, stabilen politischen Verhältnissen und der intakten Natur und Tierwelt ein Paradies», sagt die deutsche Hotelangestellte Sandra Müllerschön. Die zweite Schweiz geriet jüngst sogar in die internationalen Negativschlagzeilen, weil zwei Ex-Präsidenten wegen Korruption im Gefängnis sitzen und ein dritter Ex-Präsident unter Korruptionsverdacht
steht. Ein einheimischer Manager eines Top-Hotels meint auf die Korruption auf höchster Ebene angesprochen lakonisch: «Das ist eben der Unterschied zu anderen Ländern der Region, bei uns landen auch Ex-Präsidenten im Gefängnis.» Und dann fügt er nicht ohne Stolz hinzu: «Costa Rica hat zwar riesige Bananenplantagen – wir sind deshalb aber keine Bananenrepublik.» In der Tat sind die fest etablierte Demokratie und die politische Stabilität die eigentliche Basis für den stetig anschwellenden Besucherstrom. Bananen hin oder her.
Öko-Tourismus hat Priorität
Nur wenig grösser als die Schweiz, beherbergt Costa Rica rund vier Millionen Ticos – so nennen sich die äusserst freundlichen Einheimischen. Der grösste Teil der Bevölkerung sind Nachfahren der spanischen Eroberer, die Kreolen, jedoch ist diese Gruppe kaum mehr zu trennen von den Mestizos, die sowohl spanische als auch indianische Vorfahren haben. Die Ticos geniessen einen der höchsten Lebensstandards in der Region. In einer Studie des «Economist», in welcher 111 Länder bezüglich Lebensqualität verglichen wurden, landete das Land hinter Tschechien auf dem 35. Platz. Für Natur- und Tierliebhaber gehört Costa Rica aber längst unter die Top Ten der Welt. Mittlerweile hat sich der Tourismus denn auch zur grössten Industrie, noch vor Kaffee, Bananen und Ananas entwickelt – vor allem der nachhaltige Öko-Tourismus wird staatlich gefördert, und rund ein Viertel des Landes steht unter Naturschutz. Auf unserer Reise per Mietauto fällt es schwer, sich für einen der Naturparks zu entscheiden – so gross und vielfältig ist das Angebot. Während in der Schweiz Europas über die Errichtung weiterer Naturschutzgebiete jahrelang gestritten wird, hat die Schweiz Zentralamerikas den Schritt schon vor Jahrzehnten vollzogen und erntet nun die Früchte dieser weitsichtigen Bestrebungen.
Kaffeepause in der Hauptstadt
So richtig akklimatisieren lässt sichs nach dem langen Flug aus Europa am Besten in der Hauptstadt San José – die Stadt liegt in der zentralen Hochebene am Fuss der Cordillera Central – das milde Klima eignet sich für den Anbau von Kaffee – einst Hauptexportgut. Auf der ehemaligen Kaffeeplantage «Xandari» (www.xandari.com) hat der USArchitekt Sherrill Broudy aus Kalifornien die ehemaligen Plantagenhäuser zu prächtigen Villen umfunktioniert. «Die ehemalige Kaffeeplantage, welche auf einem Hügel über der Hauptstadt liegt, erwies sich als idealer Ort für die Kreation eines Paradieses», sagt Sherrill über seinen real gewordenen Lebenstraum. Der nächtliche Rundumblick aus unserer Villa auf das Lichtermeer von San José ist in der Tat überwältigend, und der umgebende tropische Garten lässt paradiesische Gefühle aufkommen. Im nahen Umkreis der Hauptstadt entdecken wir die ersten Naturschönheiten des Landes. Nach unserer «Kaffeepause» in San José erklimmen wir den Vulkan Poás. Der Vulkan erhebt sich 2708 Meter über den Meeresspiegel. Der Hauptkrater ist mit einem Durchmesser von rund 1,5 Kilometern und einer Tiefe von zirka 300 Metern der zweitgrösste Vulkankrater der Welt. In seiner Mitte liegt der hellblau bis grüngefärbte Kratersee, aus dem noch immer Schwefeldämpfe aufsteigen. Um den Kraterrand sind im tropischen Zwergwald zahlreiche Vogelarten zu sehen, ein Wanderweg führt zu einem wassergefüllten Nebenkrater, der Laguna Botos. Auch ein Besuch des angeblich grössten Schmetterlingsgartens der Erde lohnt sich. Im Garten sieht man neben einer Vielzahl an Schmetterlingen auch Kolibris und heimische Orchideen. Auf der Fahrt mit einem dringlich empfohlenen Allrad-Jeep quer durchs Land erspähen wir auf Wanderungen in Naturparks in Nebel- und Regenwäldern mehrmals Faultiere, Affen, Frösche und viele weitere exotische Tierarten. Natur und Tiere sind immer in Sehweite. «Hört mal», ruft uns ein Backpacker aus England auf einer Waldstrasse zu. Der ohrenbetäubende Lärm aus dem Dickicht des Regenwaldes entpuppt sich als Quak-Konzert unzähliger Frösche.
Heisse Bäder im Regenwald
Im Dorf Fortuna am Fusse des aktiven Vulkanes Arenal lassen wir uns nach teilweise anstrengenden Fahrten über schlechte Strassen für zwei Nächte im Hotel «Tabacón» nieder. Im nahen Umkreis des Hotels entdecken wir auf einem Wandertreck durch den Regenwald Tucane und Brüllaffen – auch ohne Führer. Als ein Höhepunkt der zweiwöchigen Entdeckungsreise entpuppt sich das Thermalbad Tabacón, Leukerbad-Fans werden Augen machen. Das vom Vulkan erwärmte, mineralstoffreiche Wasser durchläuft ein weit verzweigtes natürliches Flusssystem. In den Flussbecken lässt es sich auch am Abend und bei tropischen Regengüssen genüsslich verweilen. Im Hintergrund des riesigen Badeareals kann man bei gutem Wetter auch den rumorenden und Lava speienden Vulkan erspähen – ein unbeschreiblicher Eindruck. Eingebettet ist die Badelandschaft in einen tropischen Regenwald.
Ein Surferparadies
Im Südosten des Landes rund um das Dorf Puerto Viejo kommen auch Musikfans und Surfer auf ihre Kosten. An der Karibikküste Costa Ricas wähnt man sich in Jamaica – Rasta-Männer mit nacktem Oberkörper und Surfbrett unterm Arm reiten mit Fahrrädern durchs Dorf und auf mannshohen Wellen am Strand. «Hier geht in der Hochsaison echt die Post ab», verrät eine Hotelangestellte aus Frankreich. Die Rasta-Männer flirten
mit den vielen Touristinnen um die Wette, und billiges Marihuana versüsst vielen Besuchern den Aufenthalt. Reggae tönt aus einheimischen Häusern, und der Besucher fühlt sich wie in einem anderen Land. Tanja, eine 24-jährige Serviceangestellte aus Prag, arbeitet nun schon ein Jahr im mexikanischen Restaurant in Puerto Viejo. «Hier geht alles sehr langsam vorwärts, und als Europäerin muss man sich zuerst auf den anderen Lebensrhythmus einstellen.» Ihr Freund hat wie so viele US-Amerikaner hier eine neue Existenz aufgebaut und verbringt seine Freizeit mit dem Management des Restaurants, Surfen und Nichtstun. Der Abstecher an die wunderschöne Karibikküste zeigt die vielen Facetten des Kleinstaates. Jeder findet hier irgendwo sein Paradies.
Erholung weitab
5-Sterne-Luxusunterkünfte suchte man in Costa Rica bisher vergeblich. Seit Februar 2004 bietet das «Four Seasons Resort» auf der Papagayo-Halbinsel an der Pazifikküste 153 geräumige Gästezimmer, darunter 25 Suiten, mit Blick aufs Meer (www.fourseasons.com/costarica). Mehrere Swimming-Pools, drei Restaurants, ein 18-Loch-Golfplatz und zwei Hotelstrände erlauben Reisenden nach anstrengendem Trekking Erholung pur. Der einzige Nachteil des 5-Sterne- Resorts ist seine Abgeschiedenheit. Am besten gelangt man daher per Mietauto vom 40 Minuten entfernten Flughafen Liberia ins Hotel.