Auf «5-Sterne-Bauernhöfen» in Nordirland fühlen sich nicht nur Schafe und Rinder wohl, sondern auch Eltern und Kinder. Ein Erlebnisbericht aus dem touristisch kaum bekannten Norden der Grünen Insel.
Wer schon einmal in Dublin ein Auto gemietet hat und damit nach Nordirland gefahren ist, kennt das Problem: In irischen Mietwagen zeigt der Tacho das Tempo in Kilometern pro Stunde an – in Nordirland sind die Tempolimits hingegen in Meilen pro Stunde angegeben. Unsere Fahrt vom Flughafen Dublin in nordirische Gefilde wird daher zum Blindflug. Doch wir haben Glück und schaffen es – im Schneckentempo auf der linken Fahrbahn – ohne Verkehrsbusse in den Nordteil der Insel. Zollbarrieren stören den Verkehrsfluss zwischen Irland und Nordirland längst nicht mehr: Die Barrieren gibt es höchstens noch in den Köpfen der während langer Zeit verfeindeten Konfliktparteien. Erst an den andersartigen Strassenschildern und der Werbung, die alle Preise in britischen Pfund angibt, bemerken wir, dass wir schon auf nordirischem Territorium sind. Unser Reiseziel: ein Bauernhof im kleinen nordirischen Ort Killykergan. Inspiriert von der britischen Kindertrickfilmserie «Shaun das Schaf», wollen wir Städter – ganz zur Freude der Kinder – Ferien auf einem Bauernhof verbringen.
Der Stall wird zum Ferienhaus
Die Zufahrtsstrasse zur Heathfield Farm ist mehrere Hundert Meter lang und führt uns durch eine lauschige Allee und ein Einfahrtstor im georgianischen Stil. Unsere Erwartungen steigen – und wir werden nicht enttäuscht: Am Ende des Weges erwartet unsere vierköpfige Familie ein stattliches Haus neben einem perfekt gepflegten «englischen» Rasen. Darauf steht ein Baum in weisser Blütenpracht – es ist ein warmer und untypisch trockener Frühling in Nordirland. Kaum haben wir den Familienwagen parkiert, kommt uns schon eine nobel gekleidete Dame in blütenweissen Kleidern entgegen, begleitet von einem kleinen Kläffer. Die Lady – um die 50 – entpuppt sich als Bäuerin und Gastgeberin in Personalunion. «Der Stall ist bezugsbereit und das frisch gebackene Soda-Früchtebrot ist noch warm.» So viel Gastfreundschaft hatten wir nicht erwartet – und schon gar keine frischen Cookies, also englisches Gebäck, das sie extra für uns – die «Swiss Family» – mit in den Ofen geschoben hat. Gastfreundschaft à la discrétion sozusagen. Die Bäuerin lebt zwar geografisch betrachtet in Irland, im Herzen fühlt sich die Nordirin mit einem Sinn für royalen Glamour aber eher dem britischen Königshaus zugewandt als der katholischen irischen Republik. Die Gastgeberin hat daher den Hof und das Gästehaus ganz im britischen Stil eingerichtet – und mit viel Liebe zum Detail. Der «Stall» entpuppt sich beim gemeinsamen Rundgang als noble Grossraumherberge mit 5-Sterne-Gütesiegel des nationalen Tourismusverbandes. Das einstige Schlafgemach der Rinder besteht nach einem Totalumbau aus zwei Stockwerken mit zwei Schlaf- und Badezimmern, einer Küche und einem Wohnzimmer mit Kamin. Die Küche mit beeindruckendem Vierer-Toaster bietet Kapazität für eine Grossfamilie. Wer nicht selber kochen will, findet in der nahen Kleinstadt Coleraine genügend Restaurants mit den auch bei Kindern beliebten landestypischen Fish and Chips, also Fisch und Pommes frites. Gelegentlich werden die vor Fett triefenden Kartoffelschnitze auch ungefragt zu einer Portion Lasagne gereicht – sozusagen als Beilage. Starkoch Jamie Oliver, ein Förderer gesunder Ernährung in Grossbritannien, muss hier noch viel Überzeugungsarbeit leisten.
Lediglich ein dezenter Tiergeruch erinnert uns immer mal wieder daran, dass wir auf einer Rinderfarm sind – von Schafen ist weit und breit nichts zu sehen. Familien mit einer Vorliebe für Tiere und Natur fühlen sich auf der Heathfield Farm bestens aufgehoben. Die Kinder können auf dem Rasen herumtollen, junge Kälber tränken gehen und mit der Hauskatze und dem Hund spielen. Der Ehemann der «Chefin» übernimmt am nächsten Tag höchstpersönlich die Führung auf dem weit läufigen Areal und lässt die Kinder auch mal selber Hand anlegen oder auf den Traktor aufsitzen.
Dunluce Castle, ein Pflichtstopp für Ritter-Fans
Am nächsten Tag will unser Sohn die spektakulär auf einem Kalksteinsockel thronende Burg sehen, von der viele Nordirland-Reisende schwärmen: Dunluce Castle. Die Festung liegt direkt an der teils schroff abfallenden Küste von Antrim. Die noch grösstenteils gut erhaltene Trutzburg ist durch eine tiefe Schlucht vom Umland getrennt und für junge Möchtegern-Ritter ein Muss. Hier in der Küstengegend von Antrim zeigt sich Nordirland von seiner schönsten Seite. Für kurze Wanderungen oder Ausritte mit dem Pony ist die Gegend ideal. Kleinkinder mit Freude an Sandburgen kommen ebenfalls auf ihre Kosten: Bei Castle Rock und Porthrush locken kilometerlange Strände mit feinstem Sand zum Baden.
Nach einem Sprung ins kühle Nass geht die Reise weiter zum Inselchen Carrick-a-Rede, zu Deutsch «Fels im Weg». Die Felseninsel heisst so, weil sie über eine im Wind schaukelnde Hängebrücke mit dem Festland verbunden ist. Der Gang über die Hängebrücke ist aber nichts für schwache Nerven, man bewegt sich 30 Meter über dem Meer. Der atemberaubende Blick auf die steil abfallenden Küstenklippen und die Küste Schottlands entschädigt aber jeden noch so kleinen Abenteurer für die Mutprobe. Unweit der Insel wartet eine weitere bekannte Sehenswürdigkeit Nordirlands: der Giant’s Causeway, der «Damm des Riesen». Die Region besteht aus einem vulkanischen Gestein, das sich beim Abkühlen vor 60 Millionen Jahren zu rund 40 000 sechseckigen Säulen geformt hat. Die Basaltsäulen aus Vulkangestein führen auf einer Länge von fünf Kilometern den Klippen entlang und enden im Meer. Die grössten Säulen sind bis zu zwölf Meter hoch. Für Kinder ist das Unesco-Weltnaturerbe ein natürlicher und kostenlosen Kletterpark direkt am brausenden Meer. Und die Saga über den Riesen ist bei Kindern ein altbewährter Klassiker.
Das Wasser lockt überall
Nach einigen erholsamen Tagen auf dem Hof und im Umland von Coleraine fahren wir in den Nordosten des Landes – ins Gebiet von Strangford Lough. Das ist ein bemerkenswerter und bei Touristen kaum bekannter Abschnitt der Küste Nordirlands: Wie ein riesiger Blinddarm ragt die See ins Festland hinein und bildet einen Meeresarm, 26 Kilometer lang und sechs Kilometer breit. Während Ebbe und Flut – also eigentlich immer – quetschen sich enorme Mengen Wasser durch die schmale Verbindung zum offenen Meer. Die starke natürliche Strömung beschert dank einer riesigen Unterwasserturbine Hunderten Haushalten Strom. Auch hier wohnen wir in einem luxuriös ausgebauten ehemaligen Stall, dem Barr Hall Barns Cottage. Das schmucke Anwesen in der Nähe eines unberührten Strandes liegt etwas ausserhalb des malerischen Fischerdorfes Portaferry. Der Ort war bis Mitte des 19. Jahrhunderts eine dynamische Küstenstadt. Im Hafen tummeln sich noch heute viele Segel- und Fischerboote. Hier können wir neben Schafen und Rindern sogar Seehunde beim Baden im Meer beobachten. Im Aquarium Exploris in Portaferry können Kinder dann auch eine Seehunde-Rettungsstation besuchen und zusehen, wie kleine Seehunde von Tierpflegern aufgepäppelt werden.
Das Highlight für die Kinder auf unserer einwöchigen Tour sind aber nicht etwa die Seehunde – sondern die Autofähre bei Portaferry. Das tonnenschwere Stahlross muss eine gewaltige Leistung vollbringen: die starke Strömung überwinden und das verträumte Dorf Strangford auf der anderen Seite erreichen. Die grossen Augen unserer Kinder zeigen: Nordirland dürfte ihnen – und auch uns – in bester Erinnerung bleiben.
■ Anreise: Es gibt keine Direktflüge aus der Schweiz in die nordirische Hauptstadt Belfast. Ab Zürich gelangt man mit Swiss oder Air Lingus nach Dublin und reist von dort aus per Mietauto oder Bus weiter nach Belfast (Dauer: rund 2,5 Stunden). Es gibt auch mehrere Fährverbindungen von den Niederlanden, Grossbritannien und Frankreich nach Irland sowie Nordirland.
■ Irland-Spezialisten in der Schweiz: www.irlandtours.ch; www.falcontravel. ch; www.rolfmeierreisen.ch.
■ Unterkünfte: Heathfield Farm in Killykergan bei Coleraine, (www.heathfieldfarm.com); Barr Hall Barns Cottage in Portaferry, (www.ballhallbarns.com).
■ Ferien auf dem Bauernhof: Wer gerne seine Ferien mit den Kindern auf einem Bauernhof verbringen will, findet auf www.farmstay.co.uk eine grosse Auswahl an Unterkünften auf Bauernhöfen in Grossbritannien. Auf der Website ist zum Teil auch ersichtlich, wann Plätze frei sind. Beschreibungen zeigen zudem, welche Annehmlichkeiten die Besucher erwarten dürfen.
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