Hypothek im Alter: eine Rückzahlung im Detail prüfen

Selbst wenn die Zinsen für Hypotheken bereits rekordtief sind: Mit einer Hypotheken-Rückzahlung, auch Amortisation genannt, lässt sich die Zinsbelastung weiter reduzieren. Doch sind freiwillige Rückzahlungen sinnvoll? Die Vor- und Nachteile einer hohen oder tiefen Hypothekarbelastung.

Uwe Peter (50, Name geändert) und seine Frau Anita (49) haben vor rund 20 Jahren ein Eigenheim in einer Zürcher Agglomerationsgemeinde gekauft. Der Wert ihres Reiheneinfamilienhauses hat sich im Zuge der Immobilien-Preissteigerungen seit dem Kauf stark erhöht. Das Eigenheim hat mittlerweile einen Marktwert von rund 1,2 Mio. Fr. Auf dem Eigenheim der Familie Peter mit zwei Kindern lastet noch eine Bankhypothek im ersten Rang in der Höhe von 650 000 Fr.

Uwe Peter arbeitet Vollzeit und seine Ehefrau in einem 40-Prozent-Pensum. Zusammen verdienen sie brutto 180 000 Fr. im Jahr. Ihr steuerbares Einkommen liegt bei 140 000 Fr., ihr Grenzsteuersatz beläuft sich auf 32%. Ihre Hauskredit läuft im nächsten Jahr aus. Der Zins für die Hypothek beläuft sich gegenwärtig auf 0,94%. Die Hypothek kostet abzüglich Steuern 0,64% im Jahr.

Unverhoffter Geldsegen aus Erbschaft

Ehefrau Anita Peter hat aus einem Erbgang unverhofft 400 000 Fr. erhalten, und ihr Ehemann Uwe wird wahrscheinlich in naher Zukunft auch noch eine stattliche Summe erben. Die Familie verfügt über etwa 260 000 Fr. flüssige Kontoguthaben und hat langfristig rund 400 000 Fr. in Wertschriften angelegt. Das Ehepaar wandte sich an den Berater Florian Schubiger von der unabhängigen Hypothekenplattform Hypotheke.ch mit der Frage: «Sollen wir unsere erste Hypothek mit dem geerbten Geld freiwillig zurückzahlen oder nicht?»

Diese Fragen stellen sich viele Eigenheimbesitzer, die unverhofft zu Bargeld kommen oder Ersparnisse in der Pensionskasse oder der dritten Säule haben. Vor allem Wohneigentümer im mittleren Alter wie die Familie sollten eine freiwillige Rückzahlung einer ersten Hypothek im Hinblick auf das Pensionsalter prüfen (siehe Tipps).

Renditebetrachtung: Abzahlen lohnt sich, wenn mit dem Geld nicht mehr Rendite erzielt wird

Eine allgemeingültige Antwort auf die Frage gibt es nicht. Generell gilt: Die Hypothek zurückzahlen lohnt sich, wenn das Geld auf andere Weise nicht besser rentieren würde. Vom Hypothekarzins abgezogen werden muss noch der sogenannte Grenzsteuersatz bzw. die Steuerbelastung durch zusätzliches Einkommen. Bei einem Hypothekarzins von 0,94% und einem Grenzsteuersatz von 32% wie im Fall der Familie Peter bleibt ein Wert von 0,64%.

Das heisst: Wenn andere Anlagen mehr als 0,64% Rendite einbringen, lohnt sich die Rückzahlung aus reiner Rendite-Betrachtung nicht. Was es auch zu bedenken gilt: Wird freies Kapital zur Amortisation der Hypothek genutzt, steht dieses dem Ehepaar zum Beispiel im Alter nicht mehr «flüssig» zur Verfügung. Insbesondere kann keine Rendite erzielt werden. Wie viel Rendite die Familie Peter bzw. ein Hypothekarnehmer verpasst, hängt von seiner Risikobereitschaft ab.

Bis zum Pensionsalter zweite Hypothek zurückzahlen

Wichtig zu wissen: Nicht alle Hypothekarnehmer können ihre Hypothek freiwillig zurückzahlen. Die Rückzahlung der ersten Hypothek kann bei einer Festhypothek nur nach Laufzeitende ohne Vorfälligkeitsgebühr vorgenommen werden oder wenn beim Abschluss eine jährliche Amortisation vereinbart wurde. Bei einer variablen Hypothek ist eine Rückzahlung jederzeit möglich. Auch Libor- bzw. Saron-Hypotheken sind in Bezug auf die Rückzahlung relativ flexibel.

Die Kreditgeber unterscheiden grundsätzlich zwischen der freiwilligen Rückzahlung einer ersten Hypothek wie bei der Familie Peter und der Amortisationspflicht bei einer zweiten Hypothek. Eine mit 80% belehnte Immobilie bzw. eine zweite Hypothek muss innert 15 Jahren beziehungsweise bis zum Erreichen des 65. Lebensjahrs getilgt werden. Auch nach der Pensionierung dürfen die kalkulatorisch berechneten Wohnkosten maximal einen Drittel des (Renten-)Einkommens ausmachen. Stellt eine Bank zum Beispiel fest, dass die kalkulierte Kredit-Tragbarkeit bei Pensionären wegen gesunkenen Einkommens nicht mehr gegeben ist, kann sie Kreditrückzahlungen verlangen.

Gründe für eine freiwillige Rückzahlung

Die folgenden Gründe sprechen für freiwillige Rückzahlungen: Wer die Hypothek reduziert, verbessert die Eigenkapitalsituation, reduziert Schulden und muss weniger Kreditzinsen zahlen. Die Zinsen spielen bei der Überlegung, ob eine Hypothek amortisiert werden soll, eine entscheidende Rolle. Zahlen Wohneigentümer zum Beispiel bei einem Zinssatz von 2,2% 100 000 Fr. der Hypothek an die Bank zurück, sparen sie pro Jahr 2200 Fr. an Zinskosten. Bei einem Zinssatz von 1,2% sind es lediglich 1200 Fr. Je höher der Zinssatz ist, desto mehr lohnt es sich somit, die Hypothek zu tilgen.

Wer amortisiert, dem gehört zudem ein grösserer Teil der Immobilie selbst. Sollte die Liegenschaft an Wert verlieren, wird durch die Amortisation immerhin dem Ansteigen des Verschuldungsgrads entgegengewirkt. Für Rückzahlungen spricht auch, dass Senioren ihren Kindern allenfalls ein schuldenfreies Eigenheim hinterlassen möchten. Auch empfinden manche Immobilienbesitzer eine hohe Hypothek als «emotionale» Belastung. Eine Rückzahlung führt auch zu einer besseren Tragbarkeitsbeurteilung bei der Bank. So kann man eine Hypothek bei Renovationsbedarf vor der Pensionierung auch eher wieder aufstocken.

Finanzielle Situation im Alter klären

Vor der freiwilligen Rückzahlung einer Hypothek sollten Personen im fortgeschrittenen Alter auch die prognostizierten Rentenleistungen betrachten. Schubiger sagt über die Familie Peter: «Die prognostizierten Renten reichen bei Peters aus, um rund 80 Prozent des Lebensbedarfs nach der Pensionierung zu decken.» Fakt ist: Langfristig betrachtet bringen dem Ehepaar nur Aktien nach Abzug allfälliger Steuern eine höhere Rendite als die Hypothek nach Steuern kostet.

Schubiger fügt hinzu: «Aus Risikoüberlegungen wollte das Ehepaar aber nicht die gesamte Erbschaft in Aktien investieren.» Das Bargeld auf Konten zu horten, ist in einer Zeit von Minus-Zinsen aber kaum sinnvoll, zudem brauchen die Peters diese Ersparnisse nicht für ihren Lebensunterhalt, da sie zusammen relativ gut verdienen. Die Familie Peter habt zudem auch noch fleissig in die Säule 3a einbezahlt. Die Säule 3a erlaubt regelmässiges und steuerlich begünstigtes Sparen mit einem definierten jährlichen Höchstbetrag. Sie kann aber auch für die Abzahlung einer Hypothek verwendet werden. Möglich ist, beim Hypothekenfinanzierer ein Säule-3a-Konto einzurichten, das gewissermassen als Pfand für den Hauskredit gilt. Jahr für Jahr wird in diese dritte Säule einbezahlt – zurzeit maximal 6826 Fr. für Angestellte. Durch den Bezug der Guthaben wird dann die Hypothekarschuld mindestens für die zweite Hypothek getilgt.

Das sind die Gründe gegen das Abzahlen

Es gibt indessen auch Überlegungen, bei einem Hausdarlehen nicht zu viel zurückzuzahlen. Steuerliche Gründe mögen dagegensprechen, denn Hypotheken können in der Steuererklärung vom Vermögen abgezogen werden. Zinsen von Hypothekarschulden kann man zudem vom steuerbaren Einkommen abziehen. Es kann daher steuerlich sinnvoll sein, die Hypothek nicht zu amortisieren und so die steuerlichen Vorteile in Form von Abzugsmöglichkeiten beizubehalten.

Gemäss Schubiger hat sich die Familie Peter entschieden, ihre erste Hypothek freiwillig um 200 000 Fr. zu amortisieren und 200 000 Fr. aus dem Erbe langfristig in Wertpapiere zu investieren. Der Grund: Dieses Kapital kann langfristig über zehn Jahre in Wertschriften angelegt werden, und die erwartete Rendite liegt deutlich über dem Hypothekarzinssatz nach Steuerabzug von 0,64% pro Jahr.

Schubiger betont: «Die Hypothek um mehr als 200 000 Franken zu amortisieren, erschien der Familie und mir als Berater nicht sinnvoll. Der in der Immobilie gebundene Vermögensteil wäre sonst zu gross geworden.» Da die Peters auch im Alter in ihrem Haus wohnen bleiben möchten, bleiben sie mit einem Wertschriften-Portfolio im Alter finanziell flexibler, und das Eigenheim ist auch trotz tieferen Renten-Einkommen im Alter problemlos finanziell tragbar.

Tipps rund ums Thema «Hypothek amortisieren»

  • Wer finanziell nicht auf Rosen gebettet ist, sollte sich spätestens zehn Jahre vor der geplanten Pensionierung mit dem «Thema Hypothek nach der Pensionierung» befassen.
  • Frei zur Verfügung stehendes Kapital kann vor allem auch im Alter Sicherheit bieten. Auch wer plant, sein Wohneigentum zu renovieren, sollte Barbestände halten.
  • Private können auch ihre Säule-3a- oder Pensionskassengelder alle fünf Jahre zur Hypotheken-Amortisation einsetzen.
  • Wer sich für ein Abzahlen der Hypothek entschieden hat, dem steht neben der direkten auch die indirekte Amortisation offen. Der Amortisationsbetrag wird dabei nicht an das Hypotheken-Institut direkt, sondern ins Säule-3a-Konto einbezahlt. Nach der vereinbarten Laufzeit oder spätestens zum Pensionierungszeitpunkt wird das Konto aufgelöst und die Hypothek an die Bank zurückbezahlt. Vorteile: Die Einzahlungen in die dritte Säule können bei den Steuern vom Einkommen abgezogen werden, das Guthaben wird auf diesem Konto besser verzinst als auf einem Privat- oder Sparkonto, und die Schuldzinsen bleiben über die Laufzeit der Hypothek von den Steuern abzugsfähig.
  • Wohneigentümer haben keine Garantie, dass eine einmal amortisierte Hypothek wieder aufgestockt werden kann. Pensionierten wird eine Wiederaufstockung der Hypothek von den Banken oft verwehrt. Sie sollten daher einen Barbestand halten, um allfällige Renovationen in Zukunft aus eigener Tasche finanzieren zu können.
  • Wie viel Rendite eine Anlage nach Steuern regelmässig bringen muss, damit sie sich gegenüber dem Abzahlen der Hypothek gelohnt hat, lässt sich auf folgender Website berechnen: https://www.vermoegens-partner.ch/de/meta/kontakt/side/publikationen/berechnungstools/online_rechner_hypothek_amortisieren

Autor: Bernhard Bircher-Suits
Dieser Artikel ist am 6.10.2020 in der Neuen Zürcher Zeitung erschienen.

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