Geld anlegen: So viel lernt man in der Migros-Klubschule

Wer sein Wissen über ­Geldanlagen bei der Migros-­Klubschule ­vertiefen will, muss ­aufpassen: Die Kursleiter sind Anlageberater der ­Migros-Bank. Und vorgestellt werden Produkte der Migros-Bank. Unabhängige Kurse sind dünn gesät.

Migros-Hauptsitz am Zürcher Limmatplatz an einem Oktoberabend: Die Teilnehmer des Kurses «Geldanlage 2» sitzen erwartungsvoll in einem Schulungsraum der Migros-Klubschule. Darunter befindet sich Dario Meister (alle Namen geändert). Der 46-jährige Eigentümer eines Softwareunternehmens in Kloten ZH sagt von sich, er sei in Geldfragen ein Laie. Ihn interessiert, ob Gold in den letzten 20 Jahren eine sinnvolle Geldanlage war. Und er möchte mehr über Dividendentitel in Schweizer Franken erfahren. Der ­etwas ältere Peter Weinert macht auf eigene Faust Börsengeschäfte im ­Internet. Er will lernen, Verluste zu vermeiden.

Unter den Teilnehmern sind auch zwei Männer kurz vor dem Rentenalter. Sie setzen sich ­damit auseinander, wie sie ihre Erspar­nisse «ertragreich und sicher» anlegen können. Eine erste Investition mussten die Teilnehmer bereits vor dem Kursstart tätigen: Für die zwölf Lektionen des Kurses «Geldanlage 2» zahlten sie 590 Franken. 

Laut Ausschreibung richtet sich der Kurs «Geldanlage 2» an Leute, die ihr «Wissen über gän­gige Anlagemöglichkeiten und -strate­gien erweitern wollen» sowie am Kurs «Geldanlage 1» teil­nahmen. Die Klubschule-Geldsemi­nare werden nicht von bankunabhängigen Dozenten mit didaktischer Ausbildung geleitet, sondern von «Ex­perten der Migros-Bank». Das geht aus der Ausschreibung hervor. Im Kurspreis inbegriffen ist das Buch «Geldanlage 2» der Compendio Bildungsmedien AG in Zürich. Das Skript ist laut ­Titelseite «ein Angebot in Zusammenarbeit mit der Migros-­Bank».

Unterricht mit wenig didaktischem Geschick

Nach dem Besuch des Geld­seminars sollen die Teilnehmer laut Kurs-Lernzielen etwa «die grundsätz­lichen Regeln und Pro­zesse an der Börse» kennen, eine Anlage­strategie ableiten sowie Depots fachgerecht analysieren und an­passen können. Kursleiter ist ein langjähriger Migros-Banker. Er ist etwa 60-jährig und bietet allen ­Teilnehmern gleich zu Beginn das Du an. Das schafft Nähe. Er ­verfügt über viel Erfahrung im Privat­kundengeschäft. Im Unterricht lässt er ­wenig didak­tisches Geschick er­kennen. Die Teilnehmer machen keine schrift­lichen Übungen, um den Lerneffekt zu erhöhen. Und das aktuelle und gut strukturierte Lehrbuch der Compendio bleibt ­fast ungenutzt. 

Hauptproblem des Kurses: Für Privatanleger empfehlenswerte Geldanlagen wie etwa kostengünstige Indexfonds (ETFs) mit breiter Risikostreuung werden nicht im Detail vorgestellt. Der Kursleiter erwähnt diese Indexfonds erst auf Nachfrage, vertieft das Thema aber nicht. Er stellt vor allem Anlagen vor, mit denen die ­Migros-Bank Geld verdient – wie strukturierte Produkte, Börsenaufträge, aktiv verwaltete Fonds sowie Vermögensverwaltungsmandate. Über kon­krete Kosten- oder Service­vergleiche mit anderen Banken oder Ange­bote von meist kostengünstigeren Fintech-Anbietern spricht der Dozent nur auf Nachfrage. Unabhängige Studien über den Erfolg von Geldanlagen erwähnt er nicht.

Am letzten von drei Kurs­abenden stellt der Kursleiter strukturierte Produkte vor. Sie werden aus Anlageinstrumenten wie etwa Aktien oder Gold strukturiert, also kombiniert, und an der Börse gehandelt. Unter den im Kurs vor­gestellten Produkten ist ein hoch kompliziertes «Barrier ­Reverse Convertible»-Produkt der UBS mit «7% p.a. CHF Kick-In GOAL». Gemäss Verkaufsprospekt ist die Migros-Bank bei diesem Finanz­produkt Marketingpartner der UBS. Strukturierte Finanzprodukte sind für die meisten Laien unverständlich, versprechen attraktive Renditen, bergen aber hohe Verlust­risiken. Der Kursleiter sagt dazu: «Ich habe bewusst ein ein­faches Produkt genommen.» Doch der anwesende Jurist und Kursteilnehmer Peter Grüter stolpert um­gehend über die Warnhinweise im Klein­gedruckten. Ob man die Voraus­setzungen für solche Wetten mitbringt, erfährt man von der Migros-Bank: Auf Wunsch erhalten die Teilnehmer am Ende eine kosten­lose «Risiko­profil-Analyse» zugesandt.

Migros-Banker kommen so in Kontakt mit potenziellen Neukunden

Migros-Gründer Gottlieb Dutt­weiler bezeichnete die Klubschulen gemäss seinem Biografen einmal als «Plantagen des guten Willens», weil sie jenes «Niemandsland beackerten, das die gewinnstrebige Wirtschaft zu wenig interessant» finde. Zumindest für die Migros-Bank scheinen Klubschul-Finanzkurse aber interessant zu sein: Dort treten ihre Banker in Kontakt mit potenziellen Neukunden und stellen ­ihnen hauseigene Produkte vor. 

Fazit: Der Kurs ist ein Verkaufs­instrument der Migros, das von den Teilnehmern bezahlt wird. Die Klubschule sagt, es handle sich nicht um eine Verkaufsveranstaltung. Den Migros-Bank-Kurs­leitern sei es untersagt, «aktive Kundenaktivierung zu betreiben». Deshalb würden auch keine Flyer, Präsentationen oder Banner der ­Migros-Bank verwendet. 

Alternativen zum Thema Geldanlegen für Private sind nicht einfach zu finden. Es gibt nur wenige unabhängige Kursanbieter. Die Uni Zürich veranstaltet am Institut für Banking und Finance einen kostenlosen Online-Kurs «Das liebe Geld – Finance im Alltag» (siehe Ta­belle im PDF). Dozenten sind Mitarbeiter des ­Instituts. Und das VZ Vermögens­zentrum bietet den Gratis-­Kurs «Erfolgreich Geld anlegen mit ETF» an. Das VZ ­vertreibt keine ­eigenen Finanz­produkte, Kursleiter sind VZ-Angestellte.
Autor: Bernhard Bircher-Suits, K-Geld 6-2019

Quelle: K-Geld 6-2019
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