Facebook: Personalchefs lesen mit


Von Rahel Guggisberg, Berner Zeitung

JOBSUCHE Immer mehr Personalverantwortliche durchsuchen das Internet bei der Vorauswahl von Bewerbern. Und mancher Kandidat bekam schon die Stelle nicht wegen peinlicher Bilder im Netz. Doch über dieses Thema sprechen die Firmen nicht gerne.

Der Arbeitsvertrag war praktisch unter Dach und Fach. Doch da stiess der zukünftige Arbeitgeber Emmi im Internet auf rechtsradikale Äusserungen des Bewerbers. Dies bewog die Firma dazu, nochmals detaillierte Gespräche mit ihm zu führen. Nach langem Hin und Her wurde er doch noch eingestellt. Dies zeigen Recherchen dieser Zeitung. Sprecherin Esther Gerster sagt: «Emmi greift bei Bewerbungen nicht systematisch auf soziale Netzwerke zurück.» In Einzelfällen, wenn etwas nicht stimmig sei, mache man Internetrecherchen. Gabriel Bosson vom Berner Personalberatungsunternehmen p3b kennt zahlreiche Fälle, in denen Bewerber Stellen wegen peinlicher Inhalte im Internet nicht bekamen oder schon gar nicht ans Vorstellungsgespräch geladen wurden. Die Internetrecherche wird bei der Personalauswahl wichtiger: «Zunehmend greifen Unternehmen gezielt auf persönliche Daten von Bewerbern zurück.» Darauf angesprochen, äusserten sich die Firmensprecher jedoch extrem zurückhaltend. Oft beantworteten sie Fragen dieser Zeitung erst nach internen Rücksprachen. «Die Unternehmen fürchten vermutlich, als Schnüffler abgestempelt zu werden», so Bosson. Die Beschaffung von Daten werde rasch in Zusammenhang mit Fichen und einer Art Geheimdienst gebracht. Bei der Postfinance sagt Sprecher Marc Andrey: «Wir suchen soziale Netzwerke nicht systematisch nach Informationen über Bewerbende ab.» Dies werde allenfalls in Einzelfällen gemacht. Bei der Swisscom weiss Sprecher Carsten Roetz: «Wir machen keine systematische Onlinesuche. Wenn ein Bewerber jedoch auf ein Profil in einem sozialen Netzwerk oder auf eine Website hinweist, schauen wir uns dies unter Umständen an.» Im Personalwesen des Kantons Bern gibt es keine einheitliche Regelung, inwiefern man bei der Rekrutierung auf Informationen potenzieller Angestellter zurückgreifen darf. Der Leiter des Personalamts Hans-Ulrich Zürcher sagt: «Die offenen Stellen werden durch die jeweiligen Verwaltungen besetzt. Jeder darf Anstellungen nach eigenem Gutdünken machen, allgemeine Richtlinien gibt es nicht.»

SBB stehen dazu
Die Credit Suisse, die UBS und auch der Bund sagen, dass sie soziale Netzwerke nicht zur Prüfung der Profile von Stellenbewerbern einsetzten. Klare Vorgaben in Bezug auf die Nutzbarkeit von sozialen Netzwerken im Internet kennen dagegen die SBB: «Personalverantwortliche dürfen im Internet gezielt nach Informationen über Bewerber suchen. Warum auch nicht?», sagt SBB-Sprecher Reto Kormann. Das Internet gelte als Nachschlagewerk schlechthin. Was im Internet über jemanden zu erfahren sei, entscheide die entsprechende Person selbst. Zugang auf private Daten im Internet kann sich praktisch jeder verschaffen. Quellen sind Facebook, Xing, Twitter, Google und weitere. Oft reicht ein Konto im entsprechenden Netzwerk. Darum ist es für Nutzer wichtig, dass sie Sicherheitseinstellungen berücksichtigen. «Bei Facebook eine Freundschaft zu erschleichen, ist kein Problem», weiss Bosson. Oft seien die Mittel jedoch illegal: «Es gibt Hacker, die über legale Internetprogramme verfügen, die mit Fotos von Freunden der Zielperson ein neues Profil erstellen und eine Anfrage starten», sagt er.Diese werde fast immer positiv beantwortet. Interessiert sind die Personalchefs an persönlichen Informationen wie Hobbys, Interessen, Meinungsäusserungen oder privaten Vorlieben. «Arbeitgeber bewerten es als negativ, wenn sich Bewerber im Netz abfällig über ihre Jobsituation äussern», sagt Bosson. Oft zeige der Blick in die Netzwerke den Personalverantwortlichen ein ganz anderes Bild einer Person. Dies stehe im Gegensatz zum schön präparierten Lebenslauf.

Bosson weiss, dass Firmen ebenfalls bei Problemen mit Mitarbeitern vermehrt auf soziale Netzwerke zurückgreifen: Er kennt Fälle von Angestellten, die häufig zu spät kamen oder sehr viel abwesend waren. Im Internet fand man dann deren Beiträge, wie sie über ausschweifende Partys oder Anlässe berichteten.

Schulung der Personalchefs
Personalchefs werden von Experten gezielt für die Suche im Internet geschult, um an weitere Informationen über potenzielle neueMitarbeiter zu gelangen. Einer, der seit einem Jahr solche Kurse erteilt, ist Personalberater Gabriel Bosson. Bei den Kursen müssten sich die Teilnehmer auch grundsätzliche Fragen stellen: Wollen sie Internetrecherchen machen oder nicht. Doch er gibt zu bedenken: «Wenn der Personalchef die Recherche nicht macht, wird möglicherweise jemand in der Linie den neuen Angestellten googeln.» Unternehmen müssten sich gut überlegen, wieweit Berufliches und Privates vermischt werden dürfe. Oder ob man das Internet vor einem Bewerbungsgespräch oder erst nach einem Gespräch nutzen wolle. Diese Grundsatzentscheidungen müsse jeder für sich selber fällen. Bei der Internetrecherche empfiehlt Bosson den Personalverantwortlichen zuerst die Suche über Google. Gute Ergebnisse habe er auch schon über die Personalsuchmaschinen wie www.yasni.ch, www.123people.ch, www.pipl.com. erhalten. Nur mit Name und Vorname sei es häufig sehr schwierig, hilfreich seien weitere Angaben wie Geburtsdatum und Wohnort des Bewerbers. Aus Gründen der Fairness müsse genau geprüft werden, ob es sich um die richtige Person handle. Manchmal ist es laut Bosson auch schlecht, wenn man im Internet gar nichts über eine Person findet, vor allem bei jüngeren: «Facebook ist heute für die allermeisten Kinder und Jugendlichen ein Muss, eine Selbstverständlichkeit.» Wenn jemand also nicht dabei sei, nirgends mitmache, könne auch dies als merkwürdig interpretiert werden.

Falle und Chance
Das Internet ist aber nicht nur eine Falle, es kann auch neue Karrierechancen bieten.

Bernhard Bircher-Suits, Experte für Neue Medien, sagt: «Seriöse Onlinekontaktnetzwerke wie beispielsweise Xing.com steigern die Berufschancen – sofern man solche Plattformen professionell nutzt und die Vertraulichkeitseinstellungen im Griff hat.» Mithilfe von Xing würden mittlerweile viele Personalverantwortliche geeignete Kandidatinnen und Kandidaten suchen. Wer sich also ansprechend präsentiere, erhöhe seine Jobchancen.

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