Der zweite Transport mit Hilfsgütern der Organisation „Solidarität Freiburg-Kosovo“ traf Ende Januar in Albanien ein. Trotz schwierigen Umständen in Albanien verlief die Verteilung der Güter dank der Zusammenarbeit mit der Kosovo-Hilfsorganisation „Ulpjana“ reibungslos.
Der Krieg in Kosovo vertrieb gegen 25’000 Menschen nach Albanien. Aufgrund der mangelnden Unterstützung der Flüchtlinge durch den krisengeplagten albanischen Staat war Hilfe aus dem Ausland gefragt. Bajrush Zeka, ein Kosovo-Flüchtling wohnhaft in Bulle, entschloss sich, umgehend zu handeln und seinen Landsleuten mit materieller Hilfe unter die Arme zu greifen. Im Rahmen eines Beschäftigungsprogrammes des Schweizerischen Arbeiterhilfswerkes stellte er die Vereinigung „Solidarität Freiburg-Kosovo“ auf die Beine. Mit Hilfe von Spenden aus der Freiburger Bevölkerung konnte Anfang November ein erster Lastwagen mit 14 Tonnen Hilfsgütern nach Albanien fahren. Mit dieser Lieferung wurden etwa 3000 Personen in der Region Tirana unterstützt. Ein weiterer Lastwagen konnte im Januar bereitgestellt werden. Dieses Mal wurden Shampoos, Nahrungsmittel, Kleider, Schulsachen und Spielzeug für die Flüchtlinge zusammengetragen. Aus dem Spital von Riaz kamen Betten und medizinische Apparaturen dazu.
Bürokratie hat Kommunismus überlebt
Ein pensionierter Lastwagenchauffeur erklärte sich bereit, den Transporter nach Durres in Albanien zu fahren. Einmal in Albanien angekommen, begann ein bürokratischer Hürdenlauf. Die Zollformalitäten zogen sich über mehrere Tage hin. Die nötigen Papiere mussten von zwei Ministern in Tirana unterschrieben werden. Eine Stellvertretung für diese Minister war offenbar nicht vorgesehen. Infolge einer Abwesenheit eines Ministers wurde das Warten am Hafen zur Nervenprobe. Nach langatmigen Erklärungen und Diskussionen erhielten wir von den Zollbehörden schlussendlich die Einfuhrbewilligung. Die Weiterfahrt mit dem Camion ging sodann im Schritttempo weiter, die meisten albanischen Strassen gleichen einem Löchersieb. Durchschnittsgeschwindigkeiten von 40 km/Std. sind durchwegs normal. Der Lenker des Personenwagens des Journalistenteams fuhr denn auch prompt in ein Schlagloch hinein, woraufhin nur noch der Rückwärtsgang des Autos funktionierte. Die restlichen 5 km Wegstrecke bis nach Tirana liessen sich aber auch rückwärtsfahrend bewältigen.
Humanitäre Güter als potentielles Diebesgut
Ein humanitärer Transport durch Albanien ist nicht nur durch tiefe Schlaglöcher gefährdet, sondern auch durch bewaffnete Banditen, die mit erbeuteten Waffen ihr Unwesen treiben. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hat einschlägige Erfahrungen mit Banditen im Norden des Landes gesammelt. Dem international tätigen Hilfswerk wurden mehrere Landrover gestohlen. Auch Nahrungsmitteldepots wurden geplündert, und Mitarbeiter des UNHCR wurden durch bewaffnete Banditen bedroht. Aber nicht nur das UNHCR wurde Ziel von bewaffneten Angriffen, auch ein amerikanischer Hilfswerkmitarbeiter wusste von Schiessereien zu berichten. Das private amerikanische Hilfswerk liess seinen Konvoi hingegen mit Waffengewalt verteidigen. Gemäss Aussagen von Hilfswerkangestellten fällt ein Grossteil der humanitären Güter in Albanien in die Hände von Banditen. Vor allem die Strassen nach Kosovo gelten als gefährliche Routen. In einem bekannt gewordenen Fall wurde gespendetes Speiseöl für zehn Franken pro Liter auf einem lokalen Markt weiterverkauft. Die Ware war vorher gestohlen worden.
Lebensumstände der Kosovo-Flüchtlinge in Albanien
Der Lebensstandard der Flüchtlinge war in Kosovo, verglichen mit den Lebensumständen in Albanien, relativ hoch. Die instabile Sicherheitslage in Albanien und der Verlust des gewohnten Lebensumfeldes führte bei vielen Flüchtlingen zu zusätzlichen Problemen. Viele Flüchtlinge wurden während den kriegerischen Auseinandersetzungen zudem traumatisiert. Fr kriegsverletzte Flüchtlinge konnte ォUlpjanaサ ein Rehabilitationszentrum einrichten. In der Klinik können sich die Verletzten mit professioneller Hilfe von den schrecklichen Erlebnissen erholen.
Mentalität ist verschieden
Trotz gleicher Sprache und gleicher Ethnie haben sich die zwei Volksgruppen der Albaner und der Kosovo-Albaner während des Kommunismus sprachlich und kulturell voneinander entfernt. Das Unbehagen der Kosovo-Albaner über die unterschiedliche albanische Mentalität kam in vielen Gesprächen zum Ausdruck. In Kosovo funktionierte vor dem Krieg die Strom- und Wasserversorgung, und eine gewisse Infrastruktur war vorhanden, auch wenn es oft an Arbeit fehlte. In Albanien sind Elektrizität und Wasser aber Mangelware. Sogar in der Hauptstadt Tirana fiel der Strom mehrmals am Tag aus. Da die meisten Häuser in Albanien ohne Öl- oder Gasheizung ausgestattet sind, kann im Winter nicht einmal mit Strom geheizt werden. Private Firmen, Restaurants und Hotels haben sich daher in der Not selber geholfen und Dieselgeneratoren angeschafft. Die Flüchtlinge harren leider aber allzu oft zusammengepfercht in ihren eiskalten Wohnungen aus.
Familie bleibt getrennt
Bei einem Besuch eines Hauses für Kosovo-Flüchtlinge in Durres trafen wir auf Xhafer H. Der 48jährige Mann mit Aufenthaltsbewilligung B (Saisonier seit 1980) war aus der Schweiz nach Kosovo gereist, um seine Familie zu besuchen. Ihr Haus in Decani in Kosovo wurde von der serbischen Armee niedergebrannt. Seine Frau und seine vier Kinder mussten zusammen mit 1500 anderen Kosovo-Albanern in einem 24-Stunden-Fussmarsch über die Grenze nach Albanien fliehen. Der Sohn kam während des Granatenbeschusses des Dorfes um. Die Familie teilt sich nun zusammen mit den Grosseltern ein kleines Zimmer im Flüchtlingshaus. Eine Rückkehr kommt für die Familie vorläufig nicht in Frage, da ihr die Existenzgrundlagen fehlen. Xhafer H. versuchte in der Schweiz eine Bewilligung für eine Familienzusammenführung zu erhalten. Da die Kinder in Albanien mangels Transportmöglichkeit nicht zur Schule gehen können, fehlt der Familie jegliche Perspektive. Im Dezember erhielt Xhafer von der Graubündner Fremdenpolizei einen ablehnenden Bescheid. Die Kinder seien schon zu alt, um in die Schweiz einreisen zu dürfen. Xhafer H. wird somit alleine in die Schweiz zurückreisen müssen.