Die Schweizer Börse stellt Anlegern im Internet Aktientipps von Banken zur Verfügung. Doch auf die Empfehlungen ist wenig Verlass, wie eine Stichprobe zeigt.
Viele Banken geben im Internet Tipps zum Kauf oder Verkauf von Schweizer Aktien (Six-swiss-exchange. com › «Investoren» › «my Marketpulse »). Dort findet man Empfehlungen zu allen im Börsenindex Swiss Performance Index enthaltenen 215 Aktien. Per Mausklick können sich Anleger die Kursprognosen der Bankanalysten ansehen. Dazu eine von drei möglichen Empfehlungen: «Kaufen», «Verkaufen» oder «Halten». Mit der Sucheinstellung «Zeige überholte Analysen» finden Anleger auch frühere Prognosen von 2012. saldo untersuchte, wie treffsicher Kaufempfehlungen von UBS, Credit Suisse (CS) und Vontobel vom Januar 2012 waren. Diese Banken verfügen in der Schweiz über die grössten Analyseabteilungen. Geprüft wurden die jeweils ein Jahr gültigen Empfehlungen für beliebte Aktien wie ABB, Dufry, Nestlé, Novartis, Roche und Zurich Financial. Das Resultat: In sechs von neun Fällen erreichten die Aktien die für ein Jahr vorausgesagten Kursziele (siehe Tabelle).
Das Erreichen von Kurszielen hängt stark vom Gesamtmarkt ab und dieser lief im 2012 prächtig. Der Börsenindex Swiss Market Index (SMI) entwickelte sich jedoch weit besser als die meisten Einzeltitel. So schaffte der Industriekonzern ABB seit der CS- und Vontobel-Empfehlung einen Kurssprung von 2 Prozent. Der SMI legte aber 22 Prozent zu. Das heisst: Wer statt Einzeltitel wie ABB einen börsenkotierten Indexfonds (ETF) auf den Börsenindex SMI gekauft hätte, wäre viel besser gefahren. Nur bei Roche und Novartis hätte die Aktie mehr zugelegt als der SMI. Nicht nur Kursziele für Aktien sind mit Vorsicht zu geniessen, sondern auch Indexprognosen. Im «Research Flash» vom 3. Januar 2012 publizierte die CS ihre Indexziele für den SMI Ende 2012. Für den 15. Dezember 2012 sagte sie einen SMI von 6231 Punkten voraus. Das pessimistische Szenario ging von 5502 Punkten, das optimistische von 6772 Punkten aus. Doch der SMI übertraf mit 6903 Punkten das optimistische Ziel bei weitem. Was also sind die Kauftipps und Kursziele wert? Walter Wittmann, pensionierter Wirtschaftsprofessor, hält wenig davon. Er sagt: «Je besser ein Titel läuft, desto mehr empfehlen ihn die Banken.» Bei Zweifeln würden die Banken im besten Fall die Empfehlung «Halten» herausgeben. «Die Empfehlung ‹Verkaufen› kommt selten vor.» In der Tat: Die Analysten gaben im Februar 2013 nur 37 Mal den Tipp «Verkaufen ». «Kaufen» kam177 Mal vor – die Empfehlung «Halten » 188 Mal. Fast identisch war das Bild im Januar. Wittmann erklärt die geringe Zahl an Verkaufstipps mit einem Interessenskonflikt: «Wenn ein Anleger Aktien verkauft, erhalten die Banken weniger Depotgebühren. » Auch der ehemalige CS-Analyst Christopher Chandiramani kennt «niemanden, der mit Bankempfehlungen reich geworden ist». Er hatte im Jahr 2000 einen negativen Börsenkommentar zur Swissair publiziert und erhielt die Kündigung. Anderthalb Jahre später war die Airline am Boden.